Juliana Irene Smith
Géraldine et Tizian

Text: Philipp Spillmann

Woraus formt sich der zersplitterte Krug, den man irgendwann einmal poetisch Geschichte getauft hat? Ein Künstlerduo aus Aarau und eine kalifornische Künstlerin machen sich daran den Kanten und Rissen des Übriggebliebenen ein neues Gesicht zu geben und erzählen davon, wie Geschichte zerbricht weil sie erzählt wird. Sie berichten von einer Welt, die sich nicht im werden sondern als gewordene begriffen hat. Kartographische Identitäten erzählen von klar diktierten Grenzen, von Bildern die das Erinnern regieren. Was dieser Welt aber verborgen blieb, war der Umstand, dass Identität ein empfindliches Konstrukt ist, das sich vom Erinnern nährt. Und genau darin liegt der Moment, der den Leim der Kontinente zum schmelzen bringt und territoriale Grenzen auseinander reisst. Denn Erinnerung ist nichts was fixiert werden könnte, nichts was sich identisch ereignet. Erinnerung ist mehr als ein Dokument, mehr als ein Bild und mehr als verpackte Worte.
Von diesem Punkt aus skizzieren sie eine Perspektive, die als eben solche in sich kollabiert. Sie eröffnen ein Geschichtsbild, das nur als gebrochenes Bild sich dem annähern darf, was es als Erzählung zu zeigen versäumt. So bleibt der Boden, auf dem sich ihre Haltungen verdichten beweglich. Die durch die Werke umrissenen Positionen besetzen bestimmte Räume, treffen und lösen sich, wachsen an Wänden entlang und gleiten sanft ineinander. Man entdeckt Gebilde aus Holzabfällen, deren zarte Erscheinung von der Brutalität der Zerstörung bloss noch ahnen lässt. Man gerät in einen Raum der von allen Seiten gleichzeitig erzählt. „The self political“. Ein nomadischer Ort der nie zu sich selbst kommt. Eine Stimme deren Sprache die Verwüstung ist. Ein Zuhause ohne Tür und Fenster. Man gelangt zu einem kompakten Haufen zerknüllter Blätter die wohl irgendwann einmal ein Buch gewesen sind. Man trifft auf einen aus Strassenkarten zusammengesetzten Hohlraum, der an die Innenseite eines Globus erinnert. Dessen Horizont sich unter den Füssen beinahe zu bewegen beginnt, und dessen Grenze im Begegnen liegt. Sie schälen dem Material die Haut vom Leib, lösen Elemente heraus und stülpen Inneres nach Aussen. Textualität wird zerlegt und zertrümmert, geschüttelt und neu verpackt zusammengeklebt. Was geschehen ist, und was nicht, schachtelt sich untrennbar ineinander. Wovon erzählt wird und was man letztlich selbst erzählt, haftet bleibend zusammen. Es gibt kein Vorne und Hinten weil es nie eines gegeben hat.